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2. Internationaler Workshop Food for Justice in Heidelberg

2. Internationaler Workshop FFJ mit dem Team, den Teilnehmenden und Gästen. 24. Juli 2024. Foto von Ítalo Acevedo.

Vom 22. bis 24. Juli 2024 fand am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg der zweite internationale Workshop „Food for Justice“ statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von Judith Müller und Renata Motta mit Unterstützung von Alejandra Rojas (Nachwuchsgruppe Food for Justice am Heidelberg Center for Ibero-American Studies, Universität Heidelberg), in Kooperation mit dem Institut für Lateinamerika-Studien der Freien Universität Berlin und gefördert vom BMBF.

22. Juli 2024 – Erkundung der Felder

Am ersten Tag besuchten die Workshop-Teilnehmer*innen zwei Orte, um mit lokalen Lebensmittelaktivist*innen in Kontakt zu treten. Zunächst besichtigten sie den Markushof, der nach dem Konzept der gemeinschaftsgetragenen Landwirtschaft arbeitet. Die Gruppe genoss eine Führung mit dem Bauern und seiner Familie und ein köstliches Mittagessen in ihrem Garten.

Anschließend besuchten die Teilnehmer*innen das HeidelBERG Café im Heidelberger Stadtteil Emmertsgrund, in dem das innovative Projekt „CookYourFuture“ stattfindet. Nach Kaffee und Kuchen war die zweite Aktivität des Tages ein runder Tisch mit Aktivisten von verschiedenen NGOs, Initiativen und Projekten rund um Lebensmittel in Heidelberg und Umgebung: Ernährungsrat Heidelberg, FIAN International, Über den Tellerrand, Tafel Heidelberg, CookYourFuture und Gemüserei Boden.Leben. Der Tag endete mit zwei Präsentationen über FFJ Case Studies zu CSA (Judith Müller) und Food Policy Councils (Lea Loretta Zentgraf) und einem tollen Abendessen im Heidelberg Café.

FFJ-Forscher*innen bei der Präsentation ihrer Fallstudien. 22. Juli 2024. Foto von Eryka Galindo.
Aktivist*innen des Projekts „CookYourFuture“. 22. Juli 2024. Foto von Eryka Galindo.
HeidelBERG Café im Emmertsgrund, Heidelberg. 22. Juli 2024. Foto von Eryka Galindo.

23. und 24. Juli: Inputs, Diskussionen und Austausch rund um Lebensmittel

Am zweiten und dritten Tag wurde das Potenzial von Lebensmitteln für sozial-ökologische Transformationen inmitten vielfältiger Krisen und Ungleichheiten untersucht. Zu den Höhepunkten gehörten Diskussionen über die sozio-ökologischen Auswirkungen der Landwirtschaft, Konzepte der Ernährungsgerechtigkeit, feministische und dekoloniale Perspektiven in der Ernährungswissenschaft, die Rolle sozialer Bewegungen bei der Umgestaltung von Ernährungssystemen sowie urbane Ernährungspolitiken und Innovationen an der Basis.

Präsentationen der Workshop-Teilnehmer*innen. 23.-24. Juli 2024. Fotos von Eryka Galindo und Lea Zentgraf.

Panel I: Übergänge und sozio-ökologische Transformationen in Ernährung und Landwirtschaft

Das erste Panel, das am Dienstag, den 23. Juli, stattfand und von Judith Müller (HCIAS, Universität Heidelberg) moderiert wurde, befasste sich mit den dringenden sozio-ökologischen Krisen, die durch die Intensivierung der Landwirtschaft verursacht werden. Die Sitzung konzentrierte sich auf den weltweit zunehmenden Einsatz von Pestiziden, die Homogenisierung von Nutzpflanzen und -tieren und die Umwandlung von Nahrungsmitteln in finanzielle Vermögenswerte, die zu Problemen wie Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt und Mangelernährung beitragen. Die Podiumsteilnehmer*innen stellten Fallstudien aus dem globalen Süden und Norden vor und boten eine globale Perspektive auf diese Herausforderungen.

Zunächst eröffnete Sérgio Costa (FU Berlin, Deutschland) das Podium, indem er den Anthropozentrismus der Soziologie kritisierte und ihre Grenzen bei der Bewältigung der Klimakrise aufzeigte. Er plädierte für eine post-anthropozentrische Soziologie, die die Interdependenz aller Lebewesen anerkennt und verschiedene Wissensquellen, wie indigene und aktivistische Perspektiven, in einen kollaborativen Prozess zwischen Akademiker*innen und nichtakademischen Akteur*innen einbezieht.

Vortrag von Sérgio Costa. 23. Juli 2024. Fotos von Eryka Galindo und Lea Zentgraf.

Claudia Schmitt und Bruno Azevedo Prado (CPDA/UFRRJ, Brasilien) untersuchten die Entwicklung der agrarökologischen Bewegung in Brasilien, die seit den 1970er Jahren die herrschenden landwirtschaftlichen Praktiken in Frage stellt. Sie analysierten, wie die Bewegung mit aktuellen Krisen wie dem Klimawandel, der Bedrohung der Demokratie und dem Narrativ der grünen Energie umgeht, und beleuchteten die Spannungen und die sich verändernde Dynamik innerhalb der Agrarökologie. Ihre Forschung kombinierte eine Literaturübersicht, Dokumentenanalyse und Interviews, um diese Veränderungen zu untersuchen.

Tomás Palmisano (Universität Buenos Aires, Argentinien) untersuchte, wie die argentinische Bewegung für alternative Landwirtschaft das Modell der Agrarindustrie in Frage stellt, indem sie den Wert von Lebensmitteln durch lokale Souveränität wiederherstellt, den heimischen Verbrauch in den Vordergrund stellt, Netzwerke zwischen Landwirt*innen und Verbraucher*innen schafft und Lebensmittel als politisches Instrument einsetzt. Er hob die Bemühungen hervor, Rohstoffe in Spezialprodukte für Nischenmärkte zu verwandeln.

Vortrag von Tomás Palmisano. 23. Juli 2024. Foto: Eryka Galindo.

Marco Antonio Teixeira (HCIAS, Universität Heidelberg) untersuchte die sozialen Bewegungen im brasilianischen Amazonasgebiet, die das Ernährungssystem inmitten der Klimakrise verändern. Seine Forschung identifizierte Schlüsselakteur*innen, Forderungen und Alternativen und betonte die Bedeutung einer ganzheitlichen Sichtweise, die die Kämpfe um das Ernährungssystem über die Kluft zwischen Mensch und Natur hinaus integriert und die Rolle regionaler politischer Akteur*innen bei der Entwicklung von Alternativen hervorhebt.

Vortrag von Marco Teixeira. 23. Juli 2024. Foto von Eryka Galindo.

Die vier Referent*innen diskutierten ausführlich mit den Workshop-Teilnehmer*innen über ihre Forschungen zu sozio-ökologischen Transformationen.

Abschlussdiskussion des ersten Panels. Judith Müller (Moderatorin), Tomás Palmisiano, Sérgio Costa, Claudia Schmitt und Marco Teixeira (von links nach rechts) 23. bis 24. Juli 2024. Foto: Eryka Galindo.

Podium II: Lebensmittel für Gerechtigkeit – konzeptionelle Debatten, alltägliche Praktiken und politische Implikationen

Das zweite Panel befasste sich mit der Entwicklung des Konzepts der Lebensmittelgerechtigkeit, indem es seine Wurzeln im Umweltaktivismus in den USA verfolgte und den strukturellen Rassismus in Lebensmittelsystemen thematisierte. Maria Trombini (HCIAS, Universität Heidelberg) moderierte die Diskussion und betonte, wie wichtig es ist, Gerechtigkeit in den sozio-ökologischen Wandel einzubeziehen und die Rolle von Lebensmitteln in alltäglichen Praktiken der Resilienz und Solidarität hervorzuheben.

Ashanté Reese (University of Texas at Austin) erörterte, wie Schwarze Versammlungen wie Familientreffen und Kochabende als lebenswichtige Räume für Ernährung und Widerstand gegen antischwarze Gewalt dienen. Sie argumentierte, dass diese Zusammenkünfte wichtige Lehren für die Stärkung von Bewegungen für Ernährungsgerechtigkeit bieten, indem sie die kollektive Fürsorge und Handlungsfähigkeit betonen.

Vortrag von Ashanté Reese. 23. Juli 2024. Foto: Eryka Galindo.

Meike Brückner (Humboldt-Universität zu Berlin) und Birgit Hoinle (Universität Hohenheim) stellten das Konzept der kulinarischen Gerechtigkeit vor, das die in kulinarische Praktiken eingebettete Machtdynamik untersucht. Sie betonten die Notwendigkeit, kulinarische Ungleichheiten und kulturelle Unterdrückung im Rahmen von Debatten über Ernährungsgerechtigkeit zu thematisieren und forderten ein breiteres Verständnis, das soziokulturelle Dimensionen einschließt.

Vortrag von Meike Brückner und Birgit Hoinle. 23. Juli 2024. Foto von Ítalo Acevedo.

Desiree Lewis (University of the Western Cape) reflektierte über die Grenzen der ausschließlichen Konzentration auf materielle Aspekte der Ernährungsgerechtigkeit und plädierte für einen ganzheitlicheren Ansatz, der die poetischen und affektiven Dimensionen der menschlichen Freiheit einschließt. Sie untersuchte, wie Bewegungen für Ernährungsgerechtigkeit in Südafrika neue Wege des Verständnisses und der Umsetzung von Gerechtigkeit schaffen.

Vortrag von Desiree Lewis. 23. Juli 2024. Foto von María Manzanares.

Thalita Kalix Garcia (Hertie School) analysierte die Slow-Food-Bewegung in Brasilien und Deutschland und untersuchte, wie sich das Konzept von „guten, sauberen und fairen Lebensmitteln für alle“ in verschiedenen kulturellen Kontexten unterscheidet. Ihre ethnografische Untersuchung an mehreren Orten zeigte die unterschiedlichen Interpretationen und Aktionen innerhalb der Bewegung auf und verdeutlichte die Herausforderungen bei der Verwirklichung von Lebensmittelgerechtigkeit in einer Welt, die von mehreren Krisen geprägt ist.

Vortrag von Thalita Kalix. 23. Juli 2024. Foto von María Manzanares.

Panel III: Feministische, intersektionale und dekoloniale Perspektiven in der Ernährungswissenschaft

Das dritte Panel, das von Lea Loretta Zentgraf (HCIAS, Universität Heidelberg) moderiert wurde, untersuchte die Überschneidung von feministischen und dekolonialen Theorien innerhalb der Ernährungswissenschaft und -politik. Die Diskussion konzentrierte sich auf die Rolle vergeschlechtlichter politischer Subjekte in Landwirtschafts- und Lebensmittelsystemen und betonte, wie wichtig es ist, Lebensmittelbewegungen in ihren spezifischen sozialen Kontexten zu verorten, um koloniale, patriarchalische und kapitalistische Narrative zu hinterfragen. Das Panel beleuchtete Beiträge aus verschiedenen Feminismen und untersuchte die Beziehung zwischen Ernährungssouveränität, Wissen der Vorfahren und Agrarökologie in Europa und Lateinamerika.

Lea Zentgraf moderiert das dritte Panel. 23. Juli 2024. Foto von Eryka Galindo.

Rita Calvário (Universidade de Coimbra) präsentierte Forschungsarbeiten über migrantische Landarbeiterinnen in Portugal und Spanien und untersuchte die geschlechtsspezifische Aufteilung der landwirtschaftlichen Arbeit und ihre Verbindung mit den Kämpfen um Ernährungssouveränität. Ihre Analyse der Dokumente von La Vía Campesina Europe gab Aufschluss darüber, wie diese Frauen die Geschlechterpolitik im Rahmen der Ernährungssouveränität steuern und herausfordern.

Vortrag von Rita Calvário. 23. Juli 2024. Foto von Eryka Galindo.

Paola Solis Huertas (Universität Gießen) konzentrierte sich auf die Bäuerinnen in den Anden und wandte sich gegen die von Regierungen und Entwicklungsagenturen auferlegte essentialisierte Sichtweise. Sie stellte das Konzept „Iskay Yachay“ vor und zeigte auf, wie andine Frauen gleichzeitig verschiedene Wissenstraditionen verwalten. Ihre Forschung zeigte, wie wichtig diese verkörperten Wissensformen für die Förderung sozio-ökologischer Veränderungen in den Anden sind.

Vortrag von Paola Solis. 23. Juli 2024. Foto von María Manzanares.

Mariana Calcagni (Freie Universität Berlin) analysierte die Nationale Vereinigung der Landfrauen und indigenen Frauen (ANAMURI) in Chile und zeigte, wie Bauernbewegungen politische Identitäten und materielle Ressourcen mobilisieren, um sozio-ökologische Veränderungen voranzutreiben. Ihre Studie betonte die Rolle der Landfrauen als Schlüsselakteur*innen des sozialen Wandels und stützte sich dabei auf feministische politische Ökologie und Ökofeminismus.

Vortrag von Mariana Calcagni. 23. Juli 2024. Foto von María Manzanares.

Renata Motta (HCIAS, Universität Heidelberg) diskutierte über feministische Koalitionen in der Ernährungspolitik und konzentrierte sich dabei auf die Solidarität zwischen Stadt und Land. Sie untersuchte die Koalitionsbildung in sozialen Bewegungen wie der deutschen „Wir haben es satt!“ und der brasilianischen „Marcha das Margaridas“ und betonte die Bedeutung feministischer Politik für die Umgestaltung von Ernährungssystemen. In ihrer Arbeit untersuchte sie auch die feministische Ernährungspolitik in Belo Horizonte, Brasilien, als Beispiel für eine auf die Versorgung ausgerichtete städtische Ernährungspolitik.

Vortrag von Renata Motta. 23. Juli 2024. Foto von Magnus Mangold.
Diskussion des dritten Panels. Mariana Calcagni, Paola Solis, Rita Calvário und Renata Motta (von links nach rechts) 23. Juli 2024. Foto von Magnus Mangold.

Panel IV: Lebensmittelbewegungen und alternative Lebensmittelnetzwerke

Am Mittwoch, den 24. Mai, wurde der Workshop mit dem vierten Panel eröffnet, das von Juliane Dame (Universität Bonn) moderiert wurde und sich auf globale soziale Bewegungen konzentrierte, die sich für die Umgestaltung der Ernährungspolitik einsetzen. Die Diskussionen beleuchteten, wie sich diese Bewegungen mit breiteren Kämpfen für Agrarreformen, Klimagerechtigkeit und kollektive Rechte überschneiden. Die Podiumsdiskussion betonte die verschiedenen Handlungsebenen, von lokal bis global, und untersuchte die Rolle von sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und Aktivist*innen bei der Gestaltung zukünftiger Agrar- und Lebensmittelsysteme durch die Bildung von Koalitionen, politischen Agenden und Herausforderungen bei der demokratischen Beteiligung.

Juliane Dame moderiert das dritte Panel. 23. Juli 2024. Foto von Carla Rossmann.

Paulo Niederle (Bundesuniversität von Rio Grande do Sul) präsentierte die Ergebnisse einer 2020 initiierten Studie über nachhaltige Lebensmittelsysteme in Rio Grande do Sul. Im Jahr 2023 wurde eine Dialogplattform mit 21 ländlichen Organisationen eingerichtet, um kollektive Maßnahmen für eine nachhaltige Landwirtschaft zu erkunden. Zu den wichtigsten Herausforderungen zählten die begrenzten Kapazitäten lokaler Organisationen und die öffentliche Politik, die die Spannungen über die Landnutzung verschärfte und die Umsetzung langfristiger politischer Strategien erschwerte.

Vortrag von Paulo Niederle. 24. Juli 2024. Foto von Lea Zentgraf.

Birgit Peuker (HCIAS, Universität Heidelberg) untersuchte, ob Lebensstilpolitik (wie der Anbau eigener Lebensmittel) und streitbare Politik (organisierte Proteste) in den deutschen Lebensmittelbewegungen in Konflikt stehen. Sie kam zu dem Schluss, dass sie sich gegenseitig ergänzen, wobei sowohl persönliche Praktiken als auch Aktivismus zusammenwirken, um nicht-nachhaltige Lebensmittelsysteme in Frage zu stellen, und betonte, dass eine effektive Organisation entscheidend ist.

Vortrag von Birgit Peuker. 24. Juli 2024. Foto von Carla Rossmann.

Claudia Trinidad Giacomán Hernández (Pontificia Universidad Católica de Chile) untersuchte den kulinarischen Aktivismus der Veganer im Südkegel, wo der Fleischkonsum tief verwurzelt ist. Ihre Forschungen ergaben, dass Veganer*innen in Santiago, Chile, Essen als nicht konfrontatives Mittel zur Förderung des Veganismus einsetzen. Durch das Teilen von pflanzlichen Gerichten und Rezepten betreiben die Veganer*innen einen Aktivismus, der den Veganismus normalisiert und andere dazu ermutigt, eine pflanzliche Ernährung als praktikable Option in Betracht zu ziehen.

Vortrag von Claudia Giacomán am 24. Juli 2024. Foto von Ítalo Acevedo.

Eryka Galindo (HCIAS, Universität Heidelberg) untersuchte die brasilianische Semi-Arid Articulation (ASA), eine Koalition, die sich für die Koexistenz mit den semiariden Regionen Brasiliens einsetzt. Der auf der Agrarökologie und der Demokratisierung des Zugangs zu Wasser und Land basierende Ansatz von ASA zielt darauf ab, den Hunger zu bekämpfen und gerechte, ökologische Ernährungssysteme aufzubauen. Das Konzept der „Koexistenz mit den Halbtrockengebieten“ steht im Mittelpunkt ihrer Bemühungen und unterstreicht die Bedeutung von Wasser als Grundrecht und Schlüsselkomponente im Kampf gegen den Hunger in diesen gefährdeten Regionen.

Vortrag von Eryka Galindo. 24. Juli 2024. Foto von Carla Rossmann.
Diskussion des vierten Panels. Birgit Peuker, Eryka Galindo, Claudia Giacomán und Paulo Niederle (von links nach rechts). 24. Juli 2024. Foto von Carla Rossmann.

Panel V: Gerechte Transformation der Lebensmittelsysteme

Das fünfte Panel, moderiert von Marco Antonio Teixeira (HCIAS, Universität Heidelberg), untersuchte die komplexe Beziehung zwischen städtischer Ernährungspolitik, staatlichen Kapazitäten und Basisinnovationen in verschiedenen globalen Kontexten. In dieser Sitzung wurde deutlich, wie Städte zu wichtigen Akteuren im Bereich der Ernährungssicherheit und -gerechtigkeit geworden sind, insbesondere im Zuge der zunehmenden Verstädterung und der Herausforderungen, die sich aus globalen Krisen wie der Covid-19-Pandemie ergeben.

Catia Grisa (Bundesuniversität von Rio Grande do Sul) untersuchte die Rolle der Stadtverwaltungen bei der Gestaltung der Ernährungspolitik in brasilianischen Städten. Ihre Untersuchung konzentrierte sich auf fünf Hauptstädte – Porto Alegre, Curitiba, Belo Horizonte, Salvador und Manaus – und zeigte, dass die Wirksamkeit der Ernährungspolitik eng mit den politischen und institutionellen Fähigkeiten der lokalen Regierungen verbunden ist. Faktoren wie das Vorhandensein spezieller bürokratischer Strukturen, die Unterstützung durch die Exekutive und das allgemeine politisch-administrative Umfeld erwiesen sich als entscheidend. Die Studie verdeutlichte den nichtlinearen Charakter der Entwicklung der Lebensmittelpolitik, der durch sich verändernde gesellschaftliche Strukturen und Machtdynamiken auf verschiedenen Regierungsebenen beeinflusst wird.

Vortrag von Catia Grisa. 24. Juli 2024. Foto von Ítalo Acevedo.

Lidia Cabral (Institute of Development Studies, UK) stellte Innovationen bei der Lebensmittelversorgung durch die Basis während der Covid-19-Pandemie vor und verglich die Erfahrungen in Ländern mit hohem und mittlerem Einkommen (HMIC) wie Brasilien, Kanada, Frankreich, Südafrika und dem Vereinigten Königreich. Sie erörterte, wie Basisorganisationen auf die Krise reagierten, indem sie mit neuen Methoden der Lebensmittelverteilung experimentierten, oft in Zusammenarbeit mit Freiwilligennetzwerken und unter Nutzung überschüssiger Lebensmittel. Diese Innovationen eröffneten potenzielle Wege, um systemische Ungerechtigkeiten in den Lebensmittelsystemen zu bekämpfen, auch wenn die Aufrechterhaltung dieser Bemühungen nach der Pandemie eine große Herausforderung darstellt. Der Vortrag betonte die Notwendigkeit des gegenseitigen Lernens über verschiedene Kontexte hinweg, um diese transformativen Ansätze zu verbessern.

Vortrag von Lidia Cabral. 24. Juli 2024. Foto von Ítalo Acevedo.

Federico Masson (Freie Universität Berlin) konzentrierte sich auf die gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft (Community Supported Agriculture, CSA) in Deutschland, insbesondere die Genossenschaft PlantAge e.G., als Beispiel dafür, wie Lebensmittelbewegungen das herrschende Lebensmittelsystem herausfordern. In Anlehnung an das von Foucault inspirierte Konzept der „Lebensmittel-Heterotopien“ beschrieb er diese Genossenschaften als Gegenräume, die die konventionellen Normen der Lebensmittelproduktion und des Konsums untergraben. Durch die Förderung von Solidarität, nachhaltigen Praktiken und lokalen Lebensmittelsystemen tragen diese Heterotopien zum Entstehen neuer sozialer Beziehungen bei, die auf ethischen Grundsätzen, Zusammenarbeit und Umweltschutz basieren.

Vortrag von Federico Masson. 24. Juli 2024. Foto von Ítalo Acevedo.

Marit Rosol (Universität Würzburg) befasste sich mit den strategischen Dilemmata, mit denen sich Lebensmittelbewegungen bei ihren Bemühungen um einen breiteren sozialen Wandel konfrontiert sehen. Ihr Vortrag stützte sich auf Theorien des sozialen Wandels, der politischen Ökonomie und der Intersektionalität und erörterte die Herausforderungen bei der Bewältigung von Machtungleichgewichten und Ungleichheiten innerhalb des Ernährungssystems. Auf der Grundlage von Diskussionen mit kanadischen Aktivist*innen und Forscher*innen aus der Lebensmittelbewegung skizzierte sie mögliche Strategien zur Überwindung dieser Herausforderungen, um eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft in Bezug auf Ernährung zu schaffen.

Vortrag von Marit Rosol. 24. Juli 2024. Foto von Carla Rossmann.

Den Abschluss des Workshops bildete ein runder Tisch zu globalen Herausforderungen der Ernährungsgerechtigkeit, der kritische Dialoge und Verbindungen zur Förderung eines demokratischen, ökologischen und gerechten Ernährungssystems anregte.

Runder Tisch mit Beteiligung von Sérgio Costa (Moderator), Paulo Niederle, Ashanté Reese, Desiree Lewis und Renata Motta (von links nach rechts). 24. Juli 2024. Foto von María Manzanares.

Das kulinarische Angebot des Workshops wurde von verschiedenen lokalen Initiativen bereitgestellt, die jeweils einen besonderen Hintergrund und kulinarischen Schwerpunkt haben. Am ersten Tag versammelten sich die Teilnehmer*innen im HeidelBERG-Café, einem gemeinschaftsorientierten Zentrum in Heidelberg, das die soziale Integration durch die Zusammenarbeit verschiedener lokaler Einrichtungen fördert. Am zweiten Tag gab es Speisen aus dem knallgelben Foodtruck von Milinda Prabath Sievers, der ein sri-lankisches Menü mit hausgemachten Gewürzen anbot, gefolgt von klassischen badischen Spezialitäten, die im gemütlichen, rustikalen Ambiente des Gilberts Goldener Adler, einem traditionellen Restaurant im Heidelberger Stadtteil Handschuhsheim, serviert wurden. Am dritten Tag gab es frische türkische Küche von Günay’s Garden, einer Kombination aus Gemüseladen und Salatbar, und den Abschluss des Empfangs bildete eine spanische Kostprobe von Paella Bros, die authentische Paella nach traditionellen Familienrezepten zubereiteten. Während des zweiten und dritten Tages genossen die Teilnehmer*innen auch nachhaltig erzeugten venezolanischen Kaffee, der von Daisy Schwartz und ihrer Familie bereitgestellt wurde.